Impuls #1. Erzähl mir von einem Weihnachts- oder Winteressen. Was verbindest Du damit? Welchen Geschmack und Geruch, welches Gefühl, welche Erinnerung?

Hotzenplotz-Essen

Das Weihnachtsessen ist in meiner Erinnerung sofort mit dem Räuber Hotzenplotz verknüpft. In
meiner Kindheit gab es traditionell an Heiligabend Hotzenplotz-Essen. Im Kinderbuch „Der Räuber
Hotzenplotz“ von Otfried Preußler macht die Großmutter von Kaspar und Seppel Bratwurst und
Sauerkraut. Der Räuber Hotzenplotz fällt bei ihr ein und frisst alles auf einmal auf. Obwohl es doch
das Lieblingsessen von Kaspar und Seppel ist.
Wie wir darauf kamen weiß ich nicht. Aber es war ein Gesetz: Es musste Hotzenplotz-Essen geben.
Dazu wurde der Kartoffelbrei erfunden, den es bei Hotzenplotz nicht gab. Ich erinnere mich, wie der
Geruch des Sauerkrautes stundenlang in der Wohnung hing. Manchmal gingen meine Schwester und
ich spät abends, wenn die Eltern schon schliefen, an die Töpfe und Pfannen, und aßen in der stillen
Küche aus den Töpfen die Reste.
Heute gibt es Weihnachten bei uns zu Hause auch Hotzenplotz-Essen. Meine Kinder sind auch mit
Hotzenplotz aufgewachsen. Vor einigen Jahren waren wir Weihnachten unterwegs und verbrachten
die Tage in einer kleinen Ferienwohnung im Allgäu. Die Kinder bekamen beide am ersten Tag
Windpocken. Wir waren zwangsläufig an die Wohnung gekettet. Am Heiligabend bekamen sie das
Hörbuch „Der Räuber Hotzenplotz“ mit allen Bänden geschenkt. Es war eine besonders komische
Version der Geschichte und auch wir hörten das Buch tagaus tagein, rauf und runter mit. Die
Eingangsmusik brannte sich ein und blieb über Jahre ein Ohrwurm. Mit Sicherheit gab es an diesem
Weihnachten auch Hotzenplotz-Essen.
Inzwischen sind meine Kinder größer und wir haben die vegetarischen und veganen Lebensphasen
miterlebt und allerlei Varianten von Hotzenplotz-Essen ausprobiert. Mal sehen wie es dieses Jahr
wird. Die Frage, was es Heiligabend gibt, wird möglicherweise gar nicht erst gestellt.

Almut Koch (Berlin)